Beachten Sie die Präzision der digitalen Stadtpläne, die hohe Auflösung und detaillierte Wiedergabe der in die Straßen strömenden Massen, sowie den raschen Überblick und die Kontrollmöglichkeiten, die der Blick von der Drohne gewährt. Und stellen Sie sich das berauschende Gefühl der Sinnhaftigkeit vor, wenn Sie am Morgen der großen Demo selbst einen 1,80 Meter langen Aero Vironment Pointer bedienen, ein "gebrauchsbereites, elektrisches UAV für Aufklärung, Überwachung und Fernbeobachtung". Diese elegante, ultra-leichte Drohne, die einem Modellsegelflieger ähnelt, kann von Hand abgeschossen werden, so wie die alten Griechen ihre Speere in das mediterrane Blau schleuderten. Natürlich hatten die antiken Philosophen nie etwas von luftgestützten Funkvideokameras in der Größe einer Münze gehörte, geschweige denn von den thermischen Bildgebern der Infrarot-Nachtsichtgeräten. Doch die Grundfragen sind die gleichen geblieben: Demokratie, Bürgerschaft, Freiheit. Mit einem oder mehreren mit synthetischer Echtzeitsicht gesteuerten UAV, welche Videoaufnahmen und GIS-Kartierungen an einen portablen Funkcomputer übertragen, verfügt die Zivilgesellschaft nun endlich über den Informationsvorsprung der Geheimdienste, der Armee oder der Polizei. Überwachung von oben für Bewegungen von unten! Drahtlose Internetverbindungen ermöglichen einen gestreuten Zugriff auf Positionsdaten über Mannschaftskonzentrationen, verdächtige Fahrzeugbewegungen oder bevorstehende Wasserwerfereinsätze; Handy-Infosysteme und SMS erledigen den Rest - eine Menschenmenge, die leicht aufzuhalten und zu zerstreuen ist, wird so zu einem beweglichen, polymorphen Schwarm von Geheimdienstagenten, der zumindest eine gute Chance hat, das Recht auf freie Meinungsäußerung auszuüben.
Manchmal ist es schwer, sich vorzustellen, was wir früher überhaupt ohne derartige Geräte machten. Aber das waren natürlich die Zeiten, bevor die Regierungen zu Spiegelbildern der Unternehmen wurden, und bevor private Sicherheitsfirmen Exekutivbeamte in der Bewahrung der öffentlichen Ordnung ausbildeten. In Ländern wie den USA ist es mittlerweile verboten, den Verkehr auf Gehsteigen zu behindern! Unter solchen Bedingungen nutzen Idealisten jedes Tool, das der Fortschritt bietet. Und die Technik entwickelt sich heute rasch. Bahnbrechende Projekte wie das Government Information Awareness-Projekt des MIT sehen schon fast alt aus. Was nutzt es, die Schmutzgeschichten der gewählten faschistischen Volksvertreter zu kennen, wenn man auf dem Weg zur Demonstration jederzeit von präzise gelenkten Polizeieinheiten aufgehalten werden kann? Und wer wird auf die Aufpasser aufpassen, wie der römische Schriftsteller Juvenal es ausdrückte?
Uninformierten Bürger/innen könnten die scheinbaren Ähnlichkeiten zwischen legitimer Gegenüberwachung und der luftbasierten Taktik von Gruppen wie der Al-Kaida ("Der Stützpunkt") Sorgen bereiten. Wir könnten hier anmerken, dass zivile Aufklärungsflugzeuge recht sicher sind und kaum je explodieren. Jüngste Studien zur Tertiär-Demokratie haben indessen dieses spontane Verdachtsgefühl bestätigt, allerdings auf einem, wie es heißt, höheren Abstraktionsniveau. Es ist eine kaum bekannte Tatsache, dass militärische Überwachungstechnologien nicht nur in die private Sicherheitsbranche eingesickert sind, sondern auch in den Handel. Die herkömmliche Produktkennung, mit dem Waren ausgestattet sind, wird nun mit einem Radio Frequency Identification Tag (Hochfrequenz-Identifikationsmarke) versehen, der unter anderem dazu dient, Informationen über Ihre Einkaufsgewohnheiten und Wege durch den Shop zu sammeln. In Verbindung mit Kredit- und Kundenkarten-Statistiken die an der Kassa erfasst werden, und einer großen Zahl von personenbezogenen Daten, die bei Datenhändlern zugekauft werden (Kredit- und Versicherungsinformationen, Kranken- und Beschäftigungsgeschichte, Reise- und Unterhaltungspräferenzen) kann diese Shop-interne Überwachung dazu dienen, Ihren Datenkörper zu durchleuchten und Ihre intimsten Wünsche zu erfassen, sodass dass eine bis ins Detail maßgeschneiderte Konsumumgebung realisiert werden kann. Und was spricht dagegen, solche RFID-Marken in den Produkten selbst zu verstecken, sodass in jeder Situation weitere Verbraucherprofile angefertigt werden können?
Der rasche Fortschritt im Mikro-Management individueller Stimufaktion (Stimulation und Satisfaktion als fast vollständige Koinzidenz) bedeutet nichts anderes, als dass die Wirklichkeit den Werbeteams nicht mehr im Wege steht, und ein Zivilisationsspektakel, welches auf der Ausbeutung der Arbeit von Zuwanderern sowie importiertem Öl aus dem mittleren Osten beruht, als einzige vorstellbare Zukunft vermarktet werden kann. Ob mit oder ohne weitere Verbesserungen der amerikanischen elektronischen Stimmautomaten, die Wahlergebnisse auf dem alten Kontinent stehen schon fest: nichts wird getan werden, um das imperialistische Wirtschaftssystem zu ändern, selbst dann nicht, wenn extreme Verteilungsungerechtigkeiten zu immer mehr Terrorismus führen. Die erzwungene Einführung biometrischer Technologien (Iris-Scanning, digitaler Fingerabdruck, Stimmerkennung, Geruchssignaturen)- zuerst an internationalen Grenzübergängen, dann an Kassen, in öffentlichen Gebäuden, Sicherheitsschleusen am Arbeitsplatz, und schließlich an der eigenen Wohnungstür - wird das Gefühl der Ausweglosigkeit schnell zementieren - warum also nicht das Simulakrum genießen? Unter derartigen Bedingungen wird hi-tec interaktiver ziviler Ungehorsam zur einzigen Möglichkeit der Fortsetzung der Demokratie. Allerdings mit radikal anderen Mitteln.
Das Sicherheitssystem hat dennoch mit einigen kleinen Problemen zu kämpfen. Die herkömmlichen Formen der Zensur und der Medienmanipulation von oben sind eindeutig obsolet, wie kürzlich in Spanien zu sehen war, wo die Wähler/innen nicht nur gegen die Beteiligung ihres Landes am Irakkrieg gewesen sind, sondern vor allem gegen die Versuche der politischen Führung, die Wirklichkeit völlig verzerrt darzustellen und die ehemals freien Presse kurzerhand zu knebeln. Doch die westlichen Geheimdienste mussten nicht auf die vernetzten Demonstrationen am Vorabend der spanischen Wahlen warten, um zu dem Schluss zu kommen, dass die Zukunft dem hypermobilen Schwärmen gehört. Der Kampf um die UAV-Vorherrschaft intensiviert sich daher schon, bevor er richtig begonnen hat. Tertiäre Demokratieberater versetzt die Aussicht auf massiven Einsatz von MAV (Miniature Aerial Vehicles, Miniaturluftfahrzeuge) wie etwa des berüchtigten AeroVironment Black Widow sowohl durch Zivilisten als auch die Polizei in Erregung. Die Widow, die bei nur 50 Gramm Gewicht mit einer Kamera ausgestattet und voll interaktiv ist, knüpft ein intelligentes Netz evasiver Überwachung wenn sie, sei es von der Polizei oder von Demonstranten, in Schwarmform eingesetzt wird. Kombiniert mit Wolken mikroskopisch kleiner RFID-Körnchen, die auf die Kleidung oder in die Haare des gegnerischen Teams verstreut werden, sind Widow-ähnliche MAV in der Lage, eine elektronische Textur des Überwachungskampfes zu knüpfen, die man sich nicht einmal in den Neunziger-Jahren - einer Zeit, die von diesem Thema besessen war - hätte träumen lassen. Die naheliegendste Frage, nämlich wo das alles hinführen soll, lässt sich kaum mehr stellen, wenn in einer Markt-orientierten Umgebung jeder neue Konflikt schon von einer Aura des Veralteten behaftet ist, bevor er richtig eingesetzt hat. Wenn wir aber die zentrale These der Tertiär-Berater akzeptieren, nämlich dass sich die Produktionsmaschinerie des früheren kalten Krieges nach innen gewendet hat und zu einer hochprofitable viralen zivilen Unterdrückungsmaschinerie (Viral Civil Repression, VCR), welche unter dem drückend-realen Vorwand des Terrors vorgangetrieben wird, dann mag im Mistkübel der Ost-Westbeziehungen womöglich die eine oder andere Einsicht zu finden sein. Es ist bekannt, dass beide Seiten des kalten Krieges den Punkt der "Mutually Assured Destruction" (MAD, gesicherte gegenseitige Zerstörung) erreichten, weshalb der weitere Ausbau der nuklearen Arsenale jeweils wahnsinnig gewesen wäre. Es ist nicht so bekannt, in welchem Ausmaß Doppelagenten, Maulwürfe, Würmer und andere nachrichtendienstliche Paradoxe das Verständnis alltäglicher Angelegenheiten fast auf Null reduzierten, weshalb das Paradigma des kalten Krieges in sich zusammenstürzte. Ist es übertrieben, anzunehmen, dass die im Widerstreit befindlichen Logiken der vernetzten Überwachung und Gegenüberwachung - "Schwarm gegen Schwarm", um eine ältere Sprachfigur zu aktualisieren - die urbanen Konflikte völlig sinnlos machen könnte, oder vielleicht schon sinnlos gemacht hat? Wie viel simuliertes Gehabe ist noch notwendig, bis das derzeitige Überwachungsspiel die kritische Schwelle der Mutually Assured Deception, der gesicherten gegenseitigen Täuschung, erreicht? Gibt es überhaupt eine Möglichkeit, präemptiv die Weltlage wahrzunehmen, bevor eine neue, noch intensivere Runde planetarischen Schattenboxen eingeleitet wird, von der nur der military entertainment complex profitieren kann, also ein paar Politiker-Generäle in den richtigen Positionen, und eine viel größere Zahl von gierigen Multis?