Juristische Expertise der europäischen Kommission
Europäische Kommission
Generaldirektion Justiz und Inneres
Direktion C
Justiz, Grundrecht und Unionsbürgerschaft
Brüssel, 12.1.2004
An die Europäische Kommission, Generaldirektion Justiz und Inneres, wurde
die Frage herangetragen, inwieweit der Einsatz von Überwachungstechnologien
durch Zivilpersonen und non-profit-Organisationen als mit dem Europäischen
Gemeinschaftsrecht vereinbar und ob der Einsatz derartige Instrumente zur
Kontrolle behördlichen – und insbesondere polizeilichen – Handelns als
zulässig angesehen werden kann.
Dazu ist anzumerken, dass der Einsatz solcher Technologien aufgrund der
damit verbundenen Verarbeitung von Daten einen Eingriff in das durch die
Richtlinie 95/46/EG vom 24.10.1995 zum Schutz der Person bei der
Verarbeitung personenbezogener Daten (ABl Nr. L 281 vom 23.11.1195, 0031 –
0050) geschützte Recht auf Achtung der Privatsphäre natürlicher Personen
darstellt. Zu beachten ist dabei jedoch, dass die Vorschriften der RL
95/46/EG auf Datenverarbeitungen zum Zweck der öffentlichen Sicherheit, der
Landesverteidigung, der Sicherheit des Staates oder der Tätigkeit im Bereich
des Strafrechts generell nicht (Art 3 Abs 2) sowie für journalistische,
künstlerische und literarische Zwecke nur eingeschränkt anzuwenden ist (Art
9). Für letztgenannte Zwecke sind die Bestimmungen der RL nur insoweit
anzuwenden, als dies notwendig ist, um das Recht auf Privatsphäre mit der
Freiheit der Meinungsäußerung in Einklang zu bringen ist. Erfolgt der
Einsatz von Überwachungstechnologien zum Zweck des Nachweises allfälliger
Straftaten durch Exekutivbeamte gegenüber zivilen Personen, so ist
derartiges Handeln nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs als
journalistische Tätigkeit im Sinne des Art 10 EMRK anzusehen, weshalb es
aufgrund des Schutzes der Meinungsfreiheit nicht in den Geltungsbereich der
oben genannten Richtlinie fällt. Gleiches gilt für Projekte, die als
Ausübung des Grundrechts auf Freiheit der Kunst anzusehen sind.
Weiters ist zu beachten, dass die Richtlinie 95/46/EG explizit auf den
Schutz personenbezogener Daten privater Personen abstellt (Art 1, 12.
Erwägungsgrund der RL). Die Integrität von Angehörigen der Exekutive stellt
daher keinen Schutzgegenstand dieser gemeinschaftsrechtlichen Regelungen
dar, weil es sich bei deren Amtsausübung nicht um Privatpersonen im zivilen
Sinne, sondern um öffentlich Bedienstete in hoheitlicher Funktion handelt.
Darüber hinaus weist die Europäische Kommission darauf hin, dass der Rat am
13.Juni 2002 die Empfehlung betreffend die Zusammenarbeit zwischen den für
den Bereich privater Sicherheit zuständigen nationalen Behörden der
Mitgliedstaaten beschlossen hat (2002/C 153/01). Nach Art. 4 Z 1 lit b
dieser Empfehlung ist die Zusammenarbeit mit privaten Sicherheitsdiensten
und den nationalen polizeilichen Behörden zu verbessern, damit die für die
öffentliche Ordnung relevanten Informationen, die von kommerziellen
Sicherheitsunternehmen stammen, ermittelt werden können. Die Europäische
Kommission hält daher die Durchdringung der zivilen Bereiche mit
Sicherheitstechnologien nicht nur für zulässig, sondern anzustreben, wobei
insbesondere die innerhalb des Gemeinschaftsgebietes geltende
Dienstleistungsfreiheit kommerzieller Anbieter Berücksichtigung und Schutz
finden muss.
Zusammenfassen vertritt die Europäische Kommission, Generaldirektion Justiz
und Inneres die Ansicht, dass der Einsatz von Überwachungstechnologien durch
Zivilpersonen durch das Gemeinschaftsrechts gedeckt ist, weshalb derartige
Bestrebungen auch nicht im Wege der nationalen Gesetzgebung verunmöglicht
werden können.
Für die Generaldirektion